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22. November 2023

KiBiZ Dialog 2023 - "Ich sterbe vor Langeweile!"

Beim KiBiZ Dialog 2023 erklärte Facharzt Prof. Dr. med. Oskar Jenni, warum Langeweile für Kinder auch gut sein kann und wie sie entsteht.


 Prof. Dr. med. Oskar Jenni

Prof. Dr. med. Oskar Jenni

Das Interesse war riesig: Rund 180 Interessierte füllten vergangenen Mittwochabend den Zuger Burgbachsaal, als Oskar Jenni, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, zum Thema Langeweile bei Kindern sprach. «Ich sterbe vor Langeweile!», so lautete der Titel des diesjährigen KiBiZ Dialogs – mit dem Untertitel «Warum Langeweile für Kinder gut ist». Wie entsteht Langeweile? Langweilen sich alle Kinder gleich schnell? Wie können sich Bezugspersonen zur Langeweile eines Kindes verhalten? Auf diese und ähnliche Fragen ging Oskar Jenni im Referat mit anschliessender Fragerunde ein – mit dem Nachfolger von Remo H. Largo in der Leitung der Abteilung Entwicklungspädiatrie am Universitäts-Kinderspital Zürich war ein ausgewiesener Experte im Burgbachsaal zu Gast. Jenni ist zudem Professor für Entwicklungspädiatrie an der Universität Zürich.

Zusammengefasst konnte man Jennis Referat entnehmen, dass kindliche Langeweile aus Unter- oder Überforderung resultieren kann, aber auch aus Müdigkeit oder mangelnder Geborgenheit. Und dass aus Langeweile – insofern das Kind seine Emotionen schon regulieren kann – auch etwas Positives entstehen kann, nämlich Kreativität. Der Experte wies zudem darauf hin, dass Spielbereitschaft und Spielfreude bei Kindern wie Erwachsenen unterschiedlich ausgeprägt sind. Und ganz wichtig: Dass kein Kind dem anderen gleicht, weder in seiner Entwicklung noch in seinen Bedürfnissen.

Man finde wenig zu Langeweile in der wissenschaftlichen Literatur, begann Jenni seinen Vortrag. Beschreiben liesse sich Langeweile mit dem unangenehmen Gefühl, dass die Zeit nicht vorbeigehe und dem Wunsch, dieser Situation zu entkommen. Bei Kindern beginne die Selbstwahrnehmung mit rund 18 Monaten. Alleine spielen könnten Kinder unter einem Jahr für fünf Minuten, Kinder von ein bis vier Jahren zehn bis zwanzig Minuten und Kinder über vier Jahren noch länger – allerdings mit grossen individuellen Unterschieden. Zum Alleinspiel brauche es eine vertraute Umgebung, eine Bezugsperson, Spielzeug. Wichtig sei die Fähigkeit zur Perspektivübernahme und zum Bedürfnisaufschub.

Oskar Jenni zitierte Remo H. Largo mit den drei Grundbedürfnissen des Kindes: Geborgenheit, Entwicklung und Leistung und soziale Akzeptanz. Mit dem Älterwerden nehme das Bedürfnis nach Geborgenheit ab, das nach Entwicklung und Akzeptanz nehme zu. Würden eines der Bedürfnisse oder alle zusammen nicht erfüllt, spreche man von einem «Nichtpassen», einem Misfit, und Langeweile sei ein Zeichen davon. Als erwachsene Bezugsperson könne man sich fragen: Ist das Kind überfordert, unterfordert? Erlebt es zu wenig Geborgenheit? Zu wenig soziale Akzeptanz? Kann das Kind seine Kompetenzen in Einklang bringen mit den Erwartungen?

Man könne Kindern helfen beim Entwickeln von Spielideen, sie fördern oder ihnen einfach Zuwendung schenken oder erkennen, dass sie schlicht müde sind. «Kinder haben noch ein kleines Weltwissen», erklärte Oskar Jenni. Und: «Manchmal sind sie einfach nur müde.» In der Fragerunde wurde das Thema Handy zur Diskussion gestellt. Jenni sprach sich für analoge wie digitale Erfahrungen aus. Und erklärte: «Die digitale Welt ist so schlecht und so gut wie die analoge.» Kinder sollten gefördert werden, aber im Einklang mit Geborgenheit und sozialer Akzeptanz. Auf die Beobachtung einer Kinderbetreuerin, dass sie Langeweile vor allem bei Kindern erlebe, die kein freies Spiel mehr kennen würden und deren Freizeit durchgetaktet sei mit Hobbys, antwortete Oskar Jenni: «Es entspricht nicht dem Bedürfnis von Kindern, von morgens bis abends in einen Plan eingebunden zu sein.»

Der nächste KiBiZ Dialog findet am Dienstag, 05. November 2024 statt. Dr. med. Mercedes Ogal widmet sich den Fragen rund um das Thema – «Wieviel Schlaf braucht (m)ein Kind?». Der Eintritt ist wie immer frei.

Medienmitteilung als PDF